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*Rezension* Das Haus der verlorenen Kinder / Linda Winterberg

 

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Aufbau Verlag // Taschenbuch // 512 Seiten // 18. April 2016 // 12,99 EUR

Der Inhalt

Nimmt man einer Mutter ihr Kind …

Norwegen, 1941: In dem kriegsgebeutelten Land verlieben sich Lisbet und ihre Freundin Oda in die falschen Männer – in deutsche Soldaten. Ihre verbotene Liebe fordert einen hohen Preis, und die beiden jungen Frauen verlieren alles, was ihnen lieb ist. Ausgerechnet bei den deutschen Besatzern scheinen sie Hilfe zu finden, doch dann wird Lisbet von ihrer kleinen Tochter getrennt. Erst lange Zeit später findet sich ihre Spur – in Deutschland.

Eine dramatische Geschichte um zwei junge Frauen in Norwegen im Zweiten Weltkrieg, deren Schicksal bis in die Gegenwart reicht (Quelle: Aufbau)

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Die Gedanken zum Buch

Bücher über den Zweiten Weltkrieg mit all seinen Schrecken gibt es zuhauf. Auch der Roman „Das Haus der verlorenen Kinder“ greift diese Thematik auf, beleuchtet allerdings einen bisher noch wenig bekannten Aspekt: das Schicksal der sogenannten „Deutschenmädchen“ in Norwegen.

Lisbet und Oda, zwei junge Norwegerinnen, wachsen behütet im beschaulichen Hafenstädtchen Loshavn auf. Als der Krieg ausbricht, hat dies zunächst keine Auswirkungen auf die beiden Freundinnen, da Norwegen noch fernab von jeglichem Kriegsgeschehen liegt. Doch dann fallen die Deutschen auch in Skandinavien ein und besetzen Loshavn. Die norwegischen Familien müssen den Soldaten zwangsweise Unterkunft in ihren eigenen Häusern gewähren und haben somit einen engeren Kontakt zum Feind als ihnen lieb ist. Lisbet und Oda profitieren jedoch in gewisser Weise von diesem Arrangement – lernen sie doch somit zwei charmante junge Soldaten kennen und verlieben sich ihn sie. Die beiden Mädchen halten ihre Beziehungen zu den Deutschen selbstverständlich so geheim wie möglich. Aber als sie schwanger werden und ihre Liebsten an einen anderen Ort beordert werden, nimmt eine tragische Geschichte ihren Lauf … Lisbet und Oda zählen von nun an zu den verhassten „Deutschenmädchen“ – verachtet sowohl von den eigenen Landsleuten als auch von den Deutschen. Auch ihre Babys werden als „Deutschenkinder“ bezeichnet, auf die sie keinerlei Anrecht haben und die sich fortan im „Besitz“ der Deutschen befinden.

In einem zweiten Handlungsstrang erzählt die Autorin Linda Winterberg (alias Nicole Steyer) von Marie und Betty. Die 84-jährige Betty wohnt in einem Wiesbadener Seniorenheim und wird von Marie betreut, die dort ein freiwilliges soziales Jahr absolviert. Die beiden Frauen freunden sich trotz ihres Altersunterschiedes an und merken bald, dass sie beide von einem Geheimnis aus der Vergangenheit umgeben sind, das es zu enthüllen gilt und dem sie sich stellen müssen. Also begibt sich Betty auf eine Reise in ihre Vergangenheit – und Marie folgt ihr.

Dieser Roman lebt von seiner Geschichte. Von einer Geschichte, die ergreifend und tragisch ist, mitreißend und wunderbar unterhaltsam, traurig und vielleicht auch ein ganz kleines bisschen kitschig. Auf jeden Fall ist es eine stimmige Geschichte. Die Autorin berichtet in ihrem Nachwort, dass sie das Schicksal der „Deutschenmädchen“ persönlich tief bewegt hat, als sie davon hörte. Und diese persönliche Betroffenheit spürt man beim Lesen. Man spürt, dass die Autorin eine Menge Herzblut in die Recherche und in ihr Buch gesteckt hat. Daher ist auch der Erzählstrang um Lisbet und Oda besonders gut gelungen, fesselnd und hochinteressant. Ich habe das Schicksal der beiden Frauen mit sehr großem Interesse – und Mitgefühl – verfolgt.

Die zweite Erzählebene, die sich in der Gegenwart abspielt und sich um Marie und Betty dreht, konnte mich dagegen nicht völlig überzeugen. Wahrscheinlich lag dies an Maries Charakter, bei dem mir die Authentizität und Glaubwürdigkeit gefehlt hat. Vieles an Maries Persönlichkeit und ihrem Leben wirkte konstruiert und gewollt. So wird sie beispielsweise des Öfteren als „Bad Girl“ beschrieben, verhält sich dann aber nicht aufsässig oder unhöflich, sondern wirkt meist angepasst und freundlich.

Warum das Buch den Titel „Das Haus der verlorenen Kinder“ trägt, erfährt man übrigens erst im letzten Drittel der Handlung. Verraten möchte ich es an dieser Stelle nicht. Nur so viel: Der Titel ist treffend und sehr gut gewählt. Und es lohnt sich, seine Bedeutung beim Lesen herauszufinden.

Das Fazit

„Das Haus der verlorenen Kinder“ ist ein ergreifender Unterhaltungsroman über das tragische Schicksal zweier mutiger Frauen im Zweiten Weltkrieg. Ein Buch, das von Liebe und Verlust erzählt, von Freundschaft und Zusammenhalt, von Heimat und Fremde und von Vergangenheitsbewältigung. Hier kann man sich mit einem Stück Geschichte auseinandersetzen – mit dem der „Deutschenmädchen“ aus Norwegen -, das bisher kaum bekannt ist und das Betroffenheit erzeugt. Lesenswert!